Siegfried Wichmann Flächenköpfe oder Kopfflächen

Ralf Scherrer geht es in seinen Bildern und Objekten weniger um das Werk und den Autor, als um den Wirkungszusammenhang, der sich im freien Spiel der Kräfte im Dreieck Autor-Werk-Publikum bewegt.


Werkästhetik wird kaum angestrebt und so ist die rostige Kopfverifikation jenes Konzentrat, das im Augenblick der Dunkelzone von Werk- und Produktions-ästhetik sich entwickeln kann. Mit dem Pluralismus der Kopfsilhouetten sind konkrete Zeichen verbunden. Sie dienen Ideen und Systemen, aus denen der Maler Bildkompositionen herausholt oder aber hinein projiziert.


Das Devotionale dieser Kopfobjekte für das Bild oder im Bild, in ihrer ver-schlüsselten Gebrauchsbedeutung- verweist auf mächtigere Institutionen,
die dem jungen Künstler heute weniger verschlossen sind als der herkömmliche„Kunst-Gesellschaft“. Der Maler in seiner Eigentätigkeit des rezipierenden Künstlers formt hier durch die Vielfalt der Häupter unbewußt und kaum unterdrückbar jenen Adaptionsprozess, dem er hellsichtig unterliegt.
Die Idee der Kopfsilhouette ist sinnvoll als Entsprechung zum Bild zu sehen,sie zielt auf alle diejenigen psychischen Inhalte, die den Schwellenwert des
Bewußtseins nicht erreichen können.


Eine Überarbeitung der Objekte um der Fläche entgegenzuwirken, ist die
Absicht „Masse“ zu verdeutlichen. Denn prendre par les milieux, die Dinge von
ihrer Mitte her zu fassen, ist stilistisch zu erkennen- die Flache Scheibe wird ein
„malerischer Bildträger“ von vielfältigster Aussage: Ornamente, litarische
Bilderzählungen, Symbole und Zeichen können miteinander oder gegeneinander
stehen oder abwechseln. Durch diese Absicht kann „Volumen“ oder „Masse“
interpretiert werden.Die Kontur der Kopffläche steht oftmals gegen den Bildinhalt, wenn der Bildträgergemeint ist, es sei denn, es sind symbolische Tendenzen vorrangig. Die Kopfformen sind Realien die zwischen Inhalt und Handhabung stehen. Sie unterliegen durch ihre Materialwahl steten Veränderungen, da der Rost die Farbe verzehrt oder mit ihm eine Mischung eingeht.
Diese Zufallssituation oder unwillentliche Veränderung der Oberfläche des
Objektes sind als Zufallsaktivitäten für die Bildkompositionen anregend genug, denn es ist eine längere Bewegung, die durch den Beobachter nicht auf eine sogleich erkannte Ursache bezogen werden kann. Die stumpfe kreidige Oberfläche der Farben ist an die Rauigkeit des Grundes gebunden, die scharfe Kontur des jeweiligen Kopfes unterbricht die kreidige Bildform, so daß starke Gegensätze Auslöser verstärkter Reaktionen sind.
Die Kopfform aus Eisenblech ist ein Teil der herausgehobenen Kleinform aus
dem großen Bild. Es ist ein autonom gewordenes Teil einer ursprünglichen
Komposition und wirkt unter einer individuell gesehenen Raumoptik. Die
Kopfform bleibt damit aber im Ansatz, oder besser, dennoch ein „Fragment“
eines ehemals bestehenden Zusammenhangs – ein Bildobjekt von entscheidender Aussage.

(Auszug aus dem Katalogtext der Engelhornstiftung München 1983 und
zum Andenken an den Giganten der Kunstgeschichte S.Wichmann)

 

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